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angelikaklaus92

It's all about the Joeys

Aktualisiert: 15. Apr.

15. August 2023, 13:06 Uhr: Wir haben gefrühstückt, der Hausputz ist getan und jetzt sitze ich hier und lasse meine ersten zwei Wochen in Lisa's Kangaroo Retreat einmal Revue passieren.

Wie ich hier gelandet bin? Im Mai habe ich zufällig auf Facebook einen Post von einer Frau gesehen, die von ihrer Volunteering-Erfahrung in einem Känguru Retreat in Port Hedland berichtet hat. Als ich das gelesen habe, war ich sofort on fire. Für mich stand schon sehr lange fest, dass wenn ich nochmal nach Australien gehe, ich in irgendeiner Form in einem Wildlife Retreat arbeiten will - und im Besten Fall in einer Auffangstation für Känguru oder Koalas.

Ich habe daraufhin direkt meine Bewerbung abgeschickt und bekam auch relativ zügig eine Rückmeldung mit einer groben Übersicht, was auf mich zukommen würde und der Info, dass man mindestens 6 Wochen bleiben sollte. Da es sich um eine Volunteering Stelle handelt, bekomme ich kein Geld, sondern arbeite für Unterkunft und Verpflegung. Das passte mir ganz gut in meine Planung, denn Port Hedland liegt auf der Route zwischen Exmouth und Broome, zwei Orte, die ich auf meiner Reise von Monkey Mia in den Norden noch sehen wollte. Und da ich für Oktober mein Neuseelandtrip mit meiner Freundin Maike geplant habe, ist das Volunteering eine gute Möglichkeit, die restlichen Wochen bis Neuseeland zu überbrücken, ohne viel Geld auszugeben. Gesagt, getan - ein paar Monate später sitze ich jetzt hier in Port Hedland, platt von der ersten Woche und überwältigt von dieser Gefühlsachterbahn der letzten Tage. Zur Info: Das Retreat bekommt keinerlei Unterstützung vom Staat. Lisa und ihr Team stemmen alles alleine und finanzieren sich selbst.


Ich bin zwar erst zwei Wochen hier, es kommt mir aber vor, als wäre es schon ewig. Am 02. August kam ich gegen Mitternacht an, habe noch nichtmal ausgepackt und durfte schon direkt das erste Baby füttern. Du liest richtig: Baby Känguru!!! Es handelt sich nämlich um ein Retreat, dass sich auf Joeys (=Baby Känguru) spezialisiert hat. Wenn weibliche Kängurus angefahren oder angeschossen werden und sterben, haben sie in sehr vielen Fällen noch ein Joey in ihrem Beutel. Daher soll man z.B. bei einem Autounfall mit einem Känguru immer schauen, ob sich im Beutel noch ein Baby befindet, das gegebenenfalls noch gerettet werden kann. Diese Babys werden dann hier im Retreat aufgenommen und mit der Flasche aufgepeppelt, großgezogen und für die Freilassung in die Natur vorbereitet. Ein Wahnsinnsprojekt, dass mit viel Liebe, Hingabe und viel Arbeit von der Besitzerin und ihren Volontären bestritten wird.


Aktuell haben wir rund 46 Joeys. 1 ganz kleines, das bisher nur im Beutel im Haus schläft, alle fünf Stunden von uns mit der Flasche gefüttert wird und gerade die ersten Sprünge lernt.

In einem extra Gebäude leben aktuell 9 kleine Joeys, die noch in Beuteln schlafen, jedoch tagsüber raus auf die Wiese dürfen, und viermal am Tag von uns gefüttert werden.

Auf der großen Wiese leben dann noch weitere 36 Teenie Joeys, die größtenteils selbstständig sind und bereits Heu und Gras fressen. Hier werden sogar neue Joeys geboren, um die sich die Mütter dann aber selbstständig kümmern.

Die Teenies füttern wir nur zwei mal am Tag mit Milch. Der Fokus liegt daher ganz klar auf die ganz kleinen "Babys" und die "Kleinkinder". Neben dem füttern stehen natürlich noch unzählige Putzjobs an, damit es rund um die Joeys immer sauber ist. Oh und natürlich viele Kuscheleinheiten. Egal wie hart der Tag ist, für eine Kuscheln mit den Babys ist immer Zeit. Es ist unglaublich, wie viel Zuneigung und Nähe die kleinen Kängurus suchen und wie sie uns als Ersatzmamas akzeptieren. Daher findet man uns zu einem Großteil des Tages irgendwo auf dem Boden, zwischen Kängurus und Kacke. Da kommt es ständig vor, dass man einen Joey füttert und zwei Sekunden später sitzt ein anderer auf deinem Schoß, ein weiterer knabbert an deinen Schnürsenkeln, einer versucht mit seinen kleinen Fingern deine Uhr abzureißen und der nächste zieht dir von hinten am T-Shirt oder springt dir auf den Rücken.

Ein absoluter Traum. Nur leider besteht der Tagesablauf nicht nur aus Kuscheln. Unsere Tage sind lang und sehr anstrengend.


Ein typischer Tag startet mit dem Wecker um 6:45 Uhr: kurz anziehen, Zähne putzen und los gehts mit der ersten Raubtierfütterung um 7 Uhr. Einer von uns füttert das Baby im Haus und wickelt sie anschließend.

Wir anderen gehen runter zu den "Kleinkindern", holen sie aus ihren Beuteln, tauschen diese aus, wenn sie schmutzig sind und während einer von uns Volontären die Köttel der Nacht auffegt, bereitet ein anderer Milch in Flaschen vor. Die Milch wird aus Milchpulver angerührt und dann leicht erwärmt. Während wir die Flaschen vorbereiten, sind einiger der Joeys schon kurz vorm Verhungern - das denken sie jedenfalls und springen uns zwischen den Beinen herum oder klammern sich auch einfach mal an ein Bein und hängen daran wie kleine Äffchen. Dann geht es los: Einige trinken schon alleine, Einige müssen wir noch per Hand füttern und Andere können es schon, wollen aber einfach ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und tun daher so, als hätten sie noch nie eine Flasche gesehen. Der ganz normale Wahnsinn...

Nach dem Essen werden die Flaschen gereinigt, und dann werden die Teenies gefüttert. Hier geht es schon anders zu - hier gilt: der Stärke gewinnt. Es wird sich teilweise sogar für die Milch gekloppt!! Da sieht man erstmal wieder, dass es sich um wilde Tiere handelt, die sogar einem Menschen gefährlich werden können. Deswegen dürfen wir nicht alleine in dieses Gehege gehen und haben direkt am ersten Tag gezeigt bekommen, wie man sich verhält, wenn sich ein Känguru vor einem aufstellt und einen Angriff starten will. Danach füllen wir noch ein paar Näpfe mit Futter, füllen Wasser auf und zählen die Kängurus im großen Gehege. In der Zwischenzeit kümmert sich jemand anderes von uns darum, zu fegen, zu wischen un die Wäsche zu machen. Beutel, Putzlappen und die Putzmops werden gefühlt jeden Tag gewaschen, daher sammelt sich schon ganz schön was an. Wenn wir soweit klar Schiff gemacht haben, machen wir uns auf den Weg zurück ins Haus und dann ist es Frühstückszeit - dieses mal für UNS. Endlich!! So müssen sich wohl die kleinen Joeys auch fühlen, wenn wir uns zu viel Zeit mit der Milch lassen.


Nach dem Frühstück steht der Haushalt an. Wir räumen wir die Küche auf, machen die Wäsche, putzen Bad und Toilette, fegen und wischen das Haus - und das jeden Tag. Wenn wir fertig sind haben wir noch ca. 1 Stunde Zeit, um durchzuatmen oder zu schlafen. Oder um extra Aufgaben zu machen, das kommt auch schon mal vor. Montags findet nämlich alle zwei Wochen ein Deep Cleaning statt und ja, das ist es wirklich. Da wird geputzt was das Zeug hält, in allen Ecken und Ritzen. Damit habe ich irgendwie nicht gerechnet, als ich mich hier beworben habe, aber ja... macht ja schon Sinn, dass die Kleinen nicht im Dreck leben.

Um 12 Uhr steht dann in der Regel die nächste Fütterung bei den Kleinen an. Wir teilen uns wieder auf. Einer übernimmt das Baby, die anderen gehen runter. Langsam haben wir schon echt eine gute Routine entwickelt und sind mit Füttern und den ganzen Putzaktionen in 0.5 bis 1.5 Stunden durch - je nach Kaka-Ausmaß und ob es Durchfallkandidaten gibt. Je nach Durchfall- und Kaka-Ausmaß muss nämlich auch schon mal der Hochdruckreiniger ran. Also wie du siehst, Arbeit gibt es hier genug und langweilig wird es nicht!


Dann haben wir endlich ein paar Stunden frei. Meist machen wir uns eine Kleinigkeit zum Mittagessen, chillen am Pool oder hauen uns dann ein bisschen aufs Ohr.

Um 17 Uhr geht es dann weiter. Erneute Raubtierfütterung bei dem Baby, den Kleinkindern und den Teenies - inkl. dem Auffüllen von Wasser und den dazugehörigen Putzaktionen. Witzig ist auch, wenn man gerade alles sauber gemacht hat, man sich einmal um seine eigene Achse dreht und schon wieder neue Köttel auf dem Boden liegen. Aber hey... so lange es trockene Köttel sind und kein Durchfall, sind wir alle happy!


Dann gibt es Abendessen. Lisa, die Besitzerin kocht für uns. Wir leben alle im gleichen Haus und essen abends gemeinsam. Das Essen ist übrigens super lecker und Lisa gibt sich so viel Mühe jedem eine extra Wurst zu kochen - egal ob vegetarisch, vegan oder, oder oder.... Nach dem Abendessen kümmern wir uns um den Abwasch, sitzen noch etwas zusammen und dann geht es um 21 Uhr nochmal zur letzten Fütterung des Tages. Du könntest jetzt meinen, alles klar, das wars dann. Langer Tag. Korrekt, nur leider ist das noch nicht alles.

Es gibt ja noch die Nachtschichten... Egal wie sehr ich diese kleinen Wesen liebe, mein Schlaf ist mir heilig und wenn ich den nicht bekomme, ist mit mir nichts anzufangen. Zwei der Joeys müssen wir noch alle 5 Stunden füttern. Daher stehen wir nachts um 1 und dann nochmal um 5 Uhr auf.

Im Normalfall reicht es, wenn jeweils einer von uns die Fütterung für die beiden übernimmt, jedoch war unsere erste Woche hier alles andere als der Normalfall. Zusätzlich zu den zwei Kleinen, die uns nachts brauchen, gab es ein paar Durchfallfälle, Joeys, die nicht fressen wollten und dann leider auch noch ein Joey, den wir nach vier Tagen voller Aufpeppelversuchen leider einschläfern mussten. Immer wieder aufs Neue sind wir mit der Angst in die Nachtschicht gestartet, dass der kleine Henry die Nacht nicht überleben wird. Daher haben wir uns entschieden, die beiden Nachtschichten zu dritt zu übernehmen und den Albtraum gemeinsam durchzustehen. Ein großer Fehler, wenn man danach um 6:45 Uhr wieder aufstehen muss.

Du kannst dir also vorstellen, wie es uns nach den ersten 5 Tagen ging... und leider hat die ganze Mühe nichts gebracht. Henry hat lange gekämpft, aber letztendlich hat es nicht gereicht. Das hat uns den Rest gegeben und uns den Boden unter den Füßen weggezogen. Ja, uns war bewusst, dass man nicht alle retten kann und gerade am Anfang die Sterberate der Joeys ohne ihre Mutter sehr hoch ist, aber dass die Realität uns dann doch so schnell einholt und uns aus unserer rosaroten Känguru-Welt reißt, hätten wir nicht gedacht. Hinzu kam, dass wir alle ungefähr zum gleichen Zeitpunkt mit dem Job gestartet haben. Wir sind alle neu, sind noch immer überwältigt von den ganzen Infos, sind gefühlt 24/7 voll bei der Sache, schmeißen Haushalt und den kompletten Känguru-Alltag, kämpfen mit Schlafmangel und dann noch die Henry Story. Ciao - das war zu viel.


Abends war bei mir dann Schicht im Schacht. Völlig fertig mit der Welt, breche ich in Tränen aus und treffe den Entschluss, nicht wie geplant 7 Wochen hier zu bleiben. Das ist einfach zu viel. Die Arbeit mit den Kleinen macht mir zwar mega Spaß und jedes der kleinen Monster ist mir so krass ans Herz gewachsen, aber die 7 Tage Woche und der Schlafmangel machen mich fertig.. Keine Ahnung wie Mütter das schaffen...Hut ab, Ihr habt meinen vollen Respekt!!!

Fix und fertig gehe ich an dem Abend ins Bett und liege am nächsten Tag mit ner dicken Erkältung flach. Keine Ahnung, ob mir die Klimaanlage den Rest gegeben hat oder ob mir mein Körper einfach ein Zeichen geben wollte, aber eins ist klar... das wars - ich brauche ein Pause. Ich bleibe einen Tag im Bett, hole gefühlt 4 Wochen Schlaf nach und treffe den Entschluss am 18. August weiterzureisen. Die Entscheidung ist mir super schwer gefallen, da mir die Arbeit mit den Joeys echt Spaß gemacht hat und ich niemanden hängenlassen will, aber die Masse war einfach zu viel. Vielleicht haben wir aber auch einfach zu einem falschen Zeitpunkt gestartet...


Heute, zwei Wochen später geht es mir schon ganz anders: Wir sind nun ein eingespieltes Team, wissen in den meisten Fällen, was zu tun ist, kennen jeden unserer 10 Stinker beim Namen (einige hören sogar darauf) und selbst die Nachtschichten bringen uns nicht mehr um. Wir haben noch eine weitere Volontärin im Team dazubekommen und sie ist sogar aus Köln - ein Stückchen Heimat!! Und mit etwas Abstand ist es tatsächlich so, wie uns Lisa gesagt hat: es gibt traurige Zeiten, aber auch sehr viele schöne Momente - und diese überwiegen.

Es ist einfach Wahnsinnn, wie schnell die Kleinen lernen und ihre ersten Schritte machen. Der kleine Eddie war das Baby, dass ich fütterte als ich nachts ankam und war zu dem Zeitpunkt dauerhaft im Haus. Mittlerweile wiegt er fast 4 kg, bleibt schon komplett unten, trinkt überwiegend alleine und geht alleine "aufs Klo". Wir sind sooo stolz auf den kleinen Scheißer.

Hahah ich höre mich an, wie eine verrückte Känguru-Mutter. Unsere Babys wachsen jeden Tag, lernen Dinge dazu, entwickeln ihre eigenen Persönlichkeiten und nehmen ihre Rolle in der Gruppe ein. Das mitzuerleben macht mich mega happy und stolz, dass ich die Erfahrung sammeln konnte... auch, wenn es zwischendurch echt hart war. Und jetzt wo unser Volo-Team zusammengewachsen ist, und wir uns in Bezug auf die Aufgaben eingegroovt haben und dadurch mehr Zeit für uns haben, genieße ich die letzten Tage sogar - trotz wenig Schlaf.

Ob ich meine Entscheidung, früher zu gehen, bereue? Nein. Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört und es hat mich mal wieder in die richtige Richtung geführt. Und meinen Plan, hier die Zeit zu überbrücken und Geld zu sparen, bevor es nach Neuseeland geht? Den habe ich über Board geworfen. Wie so oft in meinem Blog beschreiben: Planung ist nicht alles und diese Erfahrung und diese Erfahrung bestätigt mir mal wieder genau das. Also, wenn du nicht happy bist, kriege den Hintern hoch und ändere etwas!!


Was ich jetzt machen werde? Ich fahre am 18. August nach Broome (quasi wie geplant, nur früher), fliege dann nach Perth, lagere dort meinen großen Rucksack bei einer Freundin ein und fliege für einen Monat nach Bali, um meine Batterien aufzuladen. Das heißt endlich wieder Yoga, Sport, gutes Essen, Massagen, Mani- und Pediküre und noch mehr Yoga und dann ab zum Surfen nach Lombok!!! Yeaaaah, life is good :)


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